Laterale Führung – Führen ohne Macht, aber nicht ohne Rückgrat
Warum Expertenorganisationen klare Haltung statt Hierarchie brauchenIn vielen Unternehmen hat sich die klassische Hierarchie weitgehend aufgelöst – oder wirkt zumindest weicher, durchlässiger, projektbezogener. Besonders in Expertenorganisationen, in denen Spezialist*innen mit hoher Fachkompetenz zusammenarbeiten, stößt disziplinarische Führung oft an ihre Grenzen. Denn wo inhaltliche Autorität zählt, verliert die formale Macht an Bedeutung.
Laterale Führung – also führen ohne disziplinarische Weisungsbefugnis – gilt hier als das passende Modell. Doch sie wird häufig unterschätzt: als kollegiale Moderation, als Gespräch auf Augenhöhe. Dabei braucht gerade diese Form der Führung ein starkes Rückgrat, klare Rollenbilder und den Mut, Verantwortung zu übernehmen.
Experten brauchen keine Vorgesetzten – aber Führung
In wissensbasierten Organisationen führen oft Projektleiterinnen, Teamsprecher oder fachliche Koordinatorinnen. Sie steuern interdisziplinäre Teams, begleiten Change-Prozesse oder tragen Verantwortung für ein Arbeitsergebnis – ohne disziplinarische Macht über die Beteiligten zu haben.
Und genau darin liegt die Herausforderung: Wer hochqualifizierte Spezialist*innen führen will, muss mit Argumenten überzeugen, Orientierung geben, Konflikte aushalten – und das alles ohne klassische Machtmittel. Das funktioniert nur mit einer klaren inneren Haltung zur Führungsrolle.
Laterale Führung ist kein Kuschelkurs
Gute laterale Führung ist kein Gefälligkeitsprogramm. Sie erfordert Klarheit im Auftreten, verbindliche Kommunikation und eine hohe Selbstreflexion. Wer führen will, braucht nicht zwingend Macht – wohl aber die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
Das bedeutet: Ziele abstimmen, Arbeitsprozesse steuern, Prioritäten setzen und auch einmal unbequeme Fragen stellen. Wer rein moderiert, aber keine Entscheidungen vorbereitet oder Konflikte klärt, wird in Expertenorganisationen schnell zur Projektionsfläche – aber nicht zur Führungskraft.
Vertrauen und Expertise als Führungswährung
Laterale Führung basiert nicht auf Position, sondern auf Vertrauen. Dieses Vertrauen entsteht nicht über Status, sondern über Fachlichkeit, Verlässlichkeit und Transparenz. Mitarbeitende folgen nicht, weil sie müssen – sondern weil sie den Mehrwert der Führung erkennen.
Entscheidend ist daher: Wer laterale Verantwortung übernimmt, muss fachlich anschlussfähig sein und die Sprache des Teams sprechen. Es geht nicht darum, alles besser zu wissen – aber zu verstehen, worum es fachlich geht, um Zusammenarbeit wirksam gestalten zu können.
Führung durch Kommunikation – und durch Haltung
In der lateralen Führung wird Kommunikation zur Schlüsselkompetenz. Zielklarheit herstellen, Ziele gemeinsam entwickeln, unterschiedliche Perspektiven bündeln und dabei stets für Verbindlichkeit sorgen – all das gelingt nur, wenn Kommunikation nicht beliebig, sondern gezielt geführt wird.
Und es braucht Haltung. Eine innere Klarheit darüber, wofür man steht, was man fordert, was man zulässt – und wann man Stopp sagt. Gerade ohne Macht braucht es Persönlichkeit.
Fazit: Führen heißt Verantwortung übernehmen – auch ohne Macht
Laterale Führung ist heute in vielen Branchen Alltag: in IT-Projekten, bei Beratungsfirmen, in Kliniken, Forschungseinrichtungen oder Behörden. Überall dort, wo Fachkräfte gemeinsam komplexe Aufgaben lösen, braucht es Führung jenseits der Hierarchie.
Doch diese Führung funktioniert nur, wenn sie bewusst gelebt wird: mit Klarheit, Haltung und Rückgrat. Denn ohne Verantwortung bleibt auch laterale Führung wirkungslos. Wer aber bereit ist, sich dieser Rolle zu stellen, kann viel bewegen – auch ohne disziplinarische Macht.
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